Schauspieler Bjarne Mädel schlägt sich in seinem Regiedebüt mit einer Angststörung herum. Und hat dafür exzellente Kollegen.
Es gibt keinen Menschen, der frei ist von Angst. Angst rettet uns das Leben, wenn wir auf der Straße nach rechts und links schauen, uns im Auto anschnallen, bei Sturm nicht aus dem Haus gehen, im Dunkeln auf der Straße hinter uns gucken oder nachts die Haustür abschließen. Bei manchen Menschen nimmt die Furcht aber ein übersteigertes Ausmaß an.
Und bei manchen Berufsbildern wie zum Beispiel Polizist oder Kommissar scheint eine Angsterkrankung dann auch eher unangebracht – was ja ein guter Ausgangspunkt für eine reizvolle Krimikomödie sein kann. Zumal, wenn Bjarne Mädel die Hauptrolle spielt und auch noch erstmals Regie führt („Sörensen hat Angst“, Mittwoch, ARD, 20 Uhr 45).
„Ich bin Sörensen. Ihr könnt mich Sörensen nennen.“ So stellt sich der neue aus Hamburg kommende Kriminalhauptkommissar Sörensen im friesischen Katenbüll vor. Er hofft, dass der kleine Ort ihm ein ruhiges, beschauliches Arbeitsleben bescheren wird. Sörensen leidet unter einer Angststörung.
Da passt der selbstgebackene Biokuchen, den ihm seine Kollege anbieten, gut. Dumm nur, dass sofort das Telefon klingelt. Eine Leiche ist gefunden. Bürgermeister Hinrichts erschossen mit Zettel im Mund. Auf in den Kampf.
So weit, so gut. Autor Sven Stricker hatte sich für die Titelfigur seines Hörspiels, das später zum Roman wurde und nun zum Drehbuch, von Bjarne Mädel selbst inspirieren lassen. Der legt ein ambitioniertes Regie-Debüt hin, mit einem Stoff irgendwo zwischen Krimi, Drama und Kömodie.
Wenn es gut aussieht, wird das so etwas wie „Fargo“, wenn nicht, kann es peinlich werden. Mädel ist, gott sie dank, näher an „Fargo“. Er wird mit der ersten Sörensen-Szene, einer langsam über den Marktplatz schlürfenden alten Frau, gleich mal in jene skurrile Welten katapultiert, wie sie hierzulande der Eifelkrimi „Mord mit Aussicht“ oder „Der Tatortreinger“ etabliert haben. Beides mit Bjarne Mädel, natürlich.
Der Film will viel. Manchmal zu viel. Auch die Kamera (Kristina Leschner), die ständig das Nah-Porträt sucht. Das macht es der grauen Geschichte rund um das Thema Kindesmissbrauch und Familineabgründe nicht immer einfach (die zudem wenig beruhigend auf die Angststörung des Ermittlers einwirkt).
Nicht in jeder Einstellung gelingt die Schwebe zwischen Schwerem und Leichten, zwischen Krimihandlung und Psychogramm. Mädel sucht, Mädel findet meistens, und für seinen Ruf und Rang in der Branche spricht schon mal, dass sich mit Matthias Brandt als alkoholabhängiger Ex-Kurdirektor und Peter Kurth als Chef einer Fleischfabrik zwei Verdächtige in den Cast gestellt haben, die jeder für sich alleine schon einen guten Fernsehfilm wert sind. Dazu noch Anne Ratte-Polle und Katrin Wichmann.
„Das Radio bleibt an. Das Radio ist immer an“
Schauspieler Bjarne Mädel hat sich in der Vergangenheit durch eine Kultserie nach der anderen einen Ruf erspielt. „Stromberg“, eben „Mord mit Aussicht“, „Der Tatortreiniger“ oder auch „How to Sell Drugs Online (Fast)“, zuletzt der Schirach-Krimi "Feinde".
Der 52-Jährige ist zu einem wichtigen Teil der deutschen Fernsehlandschaft geworden und dabei doch ziemlich bescheiden und herrlich selbst-ironisch geblieben, wovon man sich jüngst bei diversen Talkshowauftritten überzeugen konnte. Er sei stolz, weil der Film genauso geworden sei, wie er ihn sich vorher vorgestellt habe, sagte er dort, obwohl ihm beim Dreh im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie und der Lockdown knapp im Nacken saßen.
Fastfood-Fernsehen ist das nicht. Wir sehen manchmal weites Land, graue Wolken, kahle Zimmer, tickende Uhren, schwitzende Hände, hinter matschigen Bauernhöfe kaum eine Welt. Stille Momente, Lakonie, behäbige Erzählgeschwindigkeit. Sonne gibt’s woanders. Detlev Buck lässt manchmal grüßen.
Kann schon sein, dass das Ergebnis vor allem etwas für Bjarne-Mädel-Fans ist. Für Menschen, die von Sätzen wie „Die sch...Katze ist noch da. Nicht mal die interessiert sich für mich“, „Ich will erst mal ich sein, für den Anfang“, „Ist doch eigentlich ein schöner Vorgarten?“ Ne, sch... Pflanzen“, „Das Radio bleibt an. Das Radio ist immer an“ oder ein Hund namens „Cord, wie Hose“ nicht genug kriegen können.
Ob Sörensen am Ende einer – leidlich spannenden – Mörderjagd seine Angststörung in den Griff kriegt, sei hier nicht verraten. Es könnte sein, dass das Ganze in Serie geht, auch wenn Bjarne Mädel, sagt er, die Lust am Regieführen (anderthalb Jahre hat er mit dem Projekt zugebracht) erst mal vergangen ist. Das letzte Wort sei da aber noch nicht gesprochen. In Verbindung mit dem „Sörensen…“-Team könne er sich eine Wiederholung durchaus vorstellen. Dazu braucht es die Angst, und das ist in dem Fall gut so.
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