Von Krämpfen geplagt, saßen schon wieder zwei Spieler des FC Schalke 04 auf dem Rasen. Torhüter Frederik Rønnow schoss den Ball in Richtung der Trainerbänke, um Zeit für Erholung und Behandlung zu geben. Doch der Ball blieb kurz vor der Seitenlinie liegen und musste von einem Mainzer ins Aus befördert werden. Diese Szene taugt ganz gut, um die Saison der Schalker zu beschreiben.
Ein Spiel, das der Tabellenletzte hätten gewinnen müssen, um ein bisschen Hoffnung zu schüren, um von einem Trainereffekt sprechen zu können, endete gegen den Tabellen-17. 0:0 – und das zurecht. »Am Ende kannst du glücklich sein, dass du einen Punkt mitnimmst«, sagte Kapitän Sead Kolašinac, der entkräftet und angeschlagen ausgewechselt werden musste.
»Den Punkt nehmen wir mit«, sagte dann auch der neue Trainer Dimitrios Grammozis. Bis in die letzte der 95 gruseligen Minuten Bundesligafußballs hielt er an seinen drei Innenverteidigern fest, davor sicherten zwei Spieler im Zentrum des Mittelfeldes ab. Die »Tiefe im Kader« habe gefehlt, um »noch mal Entlastung zu bringen«, sagte Grammozis. Statt des Mutes der Verzweiflung gab es bei Schalke erneut nur Verzweiflung.
Die körperlichen Defizite sind frappierend, und bei einer Mannschaft ohne internationale Spiele liegt es nahe, die Ursache in schlechtem Training zu sehen. Werner Leuthard, der zuständige »Leiter Performance Lizenzspieler«, ist dem personellen Kahlschlag eine Woche zuvor zum Opfer gefallen. Grammozis und seinem Stab bleiben kaum Möglichkeiten, im letzten Drittel der Saison physische Defizite zu beheben.
»Die Hoffnung ist noch lange nicht gestorben«, sagte Suat Serdar, als sich nach Schlusspfiff wieder ein bisschen Mut in die Verzweiflung mischte. Sein Distanzschuss in der zweiten Hälfte (81. Minute) und ein Kopfball von Shkodran Mustafi (17.) in der ersten waren die beiden nennenswerten Offensivaktionen der Schalker. Zwei – während eines ganzen Spiels. Die Mainzer waren auch harmlos, gaben aber immerhin elf Schüsse im Strafraum des Gegners ab. Sie kamen zumindest in jenen Raum, in dem die Wahrscheinlichkeit enorm steigt, einen Treffer zu erzielen. Bei den Schalkern war es nur der Kopfball.
Die spielerische Armut ist beängstigend, und der neue Sportchef Peter Knäbel steht vor der großen Herausforderung, einen Kader zusammenzustellen, der die Defizite zumindest deutlich mindert.
Ein Sieg in 40 Bundesligaspielen
Schalke gewann nur eines der vergangenen 40 Bundesligaspiele. Das ist oft und zurecht mit haarsträubenden Fehlern in der Defensive erklärt worden. Aber der Klub blieb allein in dieser Saison in 13 von 24 Spielen ohne Treffer.
Die elementare Voraussetzung, um ein Spiel zu gewinnen, war oft gar nicht gegeben. Nach dem wahrscheinlichen Abstieg in die 2. Bundesliga wird Schalke seine Herangehensweise radikal ändern müssen. Um sofort wieder aufzusteigen, werden viele Siege nötig sein. Die Mannschaften, die derzeit die beiden direkten Aufstiegsplätze in der zweiten Liga belegen, haben mehr als die Hälfte ihrer Spiele gewonnen.
Grammozis steckt daher in der Zwickmühle. Er könnte mit dem Mut der Verzweiflung schon in den kommenden Wochen damit beginnen, die Taktik zu ändern. Angesichts der Gegner, dem VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach und Bayer Leverkusen, läuft er dann Gefahr, übel ausgekontert zu werden.
Mix aus jungen Spielern und erfahrenen Profis
Andererseits würde es den Weg weisen, der nach der Sommerpause vermutlich zu gehen sein wird. Den Weg, verstärkt auf junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum »Knappenschmiede« zu setzen, schlug er schon bei seinem Debüt ein. Der 18 Jahre Kerim Çalhanoğlu gab seine Premiere in der Bundesliga am linken Ende der Fünferkette, obwohl mit Bastian Oczipka eine erfahrene Alternative vorhanden war. Im Mittelfeld begann Can Bozdoğan (19 Jahre), Omar Mascarell und Benjamin Stambouli auf der Bank saßen. Neben dem zentralen und erfahrenen Innenverteidiger Mustafi spielten Timo Becker (23) und Malick Thiaw (19). Für Matthew Hoppe (19) wurde der ein Jahr ältere Jan Luca Schuler eingewechselt. Er ist Mittelstürmer, schoss in 19 Einsätzen für Schalke 04 II in der Regionalliga West aber auch nur vier Tore.
Peter Knäbel und die Kaderplanungskommission, in der auch U19-Trainer Norbert Elgert sitzt, müssen bei deutlich abgespecktem Personaletat einen Mix aus diesen jungen Spielern und erfahreneren Profis zusammenstellen, der den speziellen Anforderungen in der 2. Liga gewachsen ist.
Amine Harit dürfte in dem künftigen Kader vermutlich fehlen, weil er als einer von wenigen Transfererlöse bringen kann. Er ist den Anforderungen der Bundesliga gewachsen, ist schnell, trickreich und setzt seine Mitspieler in der Offensive gut sein. Gegen Mainz hatte Grammozis ihn für die Position des »Zehners« eingeplant.
Harit verletzte sich beim Aufwärmen.
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