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Wind of Change – 11FREUNDE - 11 FREUNDE

Der Kol­lege Chris­toph Bier­mann schreibt über den schei­denden Jogi Löw, dass wir uns in ein paar Jahren an einen großen Trainer der deut­schen Fuß­ball­ge­schichte erin­nern werden. Wir werden sogar ein warmes Gefühl für ihn ent­wi­ckeln.

Es ist eine gewagte These, lieber Chris­toph, und ich halte es bei diesem Thema mit Paul Gas­coigne: ​Ich mache nie Vor­aus­sagen, und werde das auch nie­mals tun.“ Die Chancen sind jeden­falls nicht gering, dass wir uns in ein paar Jahren auch an einen Bun­des­trainer erin­nern, der sich so lange Zeit ließ mit seinem Rück­tritt wie, sagen wir, die Scor­pions, die seit zehn oder zwanzig Jahren auf Abschieds­tour sind. Und weil sie das noch dreißig (Schätz­wert) wei­tere Jahre sind, werden sie irgend­wann nicht mehr die Typen von ​Wind of Change“ sein, son­dern son­der­bare Greise, die ihre Flying-V-Gitarren als Geh­stock benutzen. 

Joa­chim Löw hat in den ver­gan­genen 17 Jahren beim DFB – zwei Jahre als Co-Trainer, 15 Jahre als Bun­des­trainer – viele rich­tige Ent­schei­dungen getroffen. Er hat, zwei­fels­ohne, Dinge zum Guten ver­än­dert. Er hat den deut­schen Fuß­ball von seiner Acht­zi­ger­jah­re­haf­tig­keit befreit, die ihm 2004 noch anhaf­tete. Er hat oft die rich­tigen Spieler nomi­niert, die rich­tigen Tak­tiken gewählt und die rich­tigen Anspra­chen gemacht. Als es im WM-Halb­fi­nale 2014 gegen Bra­si­lien schon zur Halb­zeit 5:0 stand, sagte er zu seinem Assis­tenten Hansi Flick: ​Pas­siert das hier wirk­lich?“ Aber er fragte sich auch, wie sie in der zweiten Halb­zeit wei­ter­ma­chen sollten. In der Kabine mahnte Löw dann ein­dring­lich zur Demut. Wer über­heb­lich spielte, würde seinen Start­platz im Finale ver­lieren. Die DFB-Elf gewann 7:1, aber sie zeigte in diesem epo­chalen Sieg Größe.

Weiter, immer weiter!“

Oliver Kahn

Die Frage nach dem rich­tigen Ende seiner eigenen Tätig­keit konnte Löw hin­gegen nie beant­worten, und irgend­wann schienen alle mög­li­chen Zeit­punkte für ein wür­de­volles Aus­scheiden vorbei. Ein Titel­ge­winn, ein Bei­nahe-Titel­ge­winn, ein WM-Vor­runden-Aus, eine his­to­ri­sche 0:6‑Niederlage. Löw, so schien es, war gekommen, um zu bleiben. Und zwar für immer und ewig. Als einer, der das Kahn­sche ​Weiter, immer weiter“ ein biss­chen zu wört­lich genommen hatte. Man sah ihn schon bei der WM 2042 in China oder Saudi-Ara­bien auf einer Strand­pro­me­nade an einer Laterne lehnen. ​Doing a Löw“ hätte da längst als geflü­geltes Wort im Duden Einzug erhalten – für einen Men­schen, der ein­fach sitzen bleibt, wenn man ihn höf­lich bittet, doch end­lich auf­zu­stehen. (Vgl: Doing a Leeds).

Es schien wirk­lich alles an ihm abzu­pra­llen, die guten Rat­schläge, die freund­li­chen Rück­tritts­ap­pelle, die bel­lenden Ent­las­sungs­for­de­rungen. Aber konnte man einen, der so einen großen Erfolg hatte, ein­fach vor die Tür setzen? Nein! Also legte der DFB seinem Bun­des­trainer sogar eine gol­dene Brücke zum selbst­ge­wählten Aus­scheiden, die er nur noch hätte über­queren müssen. Aber der Bun­des­trainer stellte auf Durchzug, wieder mal. Und aus dem Off lod­darmat­thä­uste es: Ein Joa­chim Löw ent­scheidet selbst, wann und wie er geht!

Roger Federer sagte mal, dass man im Sport nicht auf dem abso­luten Höhe­punkt auf­hören müsse. Das sei zu kit­schig. Ja, das stimmt. Aber es gibt Künstler, die nach ihrem größten Erfolg abge­treten sind und die heute etwas Mys­ti­sches umgibt. Mark Hollis ver­öf­fent­lichte mit seiner Band Talk Talk 1991 das Album ​Laug­hing Stock“. Es gilt als Meis­ter­werk eines Genies, als Opus Magnum der Band. Die er danach auf­löste. Oder der Schrift­steller J. D. Salinger, der nach seinem Jahr­hun­dert­best­seller ​The Cat­cher in the Rye“ nie wieder einen Roman schrieb. Viel­leicht hatte er nichts mehr zu sagen. Oder er wusste, dass es nicht besser wird.

Rio wäre sicher­lich ein gutes Ende gewesen. Noch bild­ge­wal­tiger, als es eh schon war. Löw auf dem Rasen wie der Kaiser 1990 in Rom. Am Ende einer großen Reise, die 2004 begonnen hatte. Mit einem 3:1‑Sieg in einem Freund­schafts­spiel gegen Öster­reich und einem opti­mis­ti­schen Chef­trainer Jürgen Klins­mann: ​Wir wollen Welt­meister werden!“ 

Manchmal hieß es aus der DFB-Zen­trale, Löw sei noch bis in die Haar­spitzen moti­viert, einen wei­teren Titel zu gewinnen, und man wollte das gerne glauben, aber dann schwebte er beim nächsten Spiel wieder so ent­rückt durch seine Coa­ching­zone, als sei er auf dem Weg zu einem Tran­szen­denz-Sym­po­sium in der Lüne­burger Heide.

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