
Bayerns Eric Maxim Choupo-Moting und Kingsley Coman
Foto:KAI PFAFFENBACH / REUTERS
Die Huldigungen an seine Spieler waren überschwänglich. Dass der Auftritt »beeindruckend« gewesen sei, sagte Hansi Flick nach Spielende. Und: »Sie fighten 90 Minuten auf dem Platz, sie geben nie auf, das ist eine Eigenschaft, die unsere Mannschaft auszeichnet.« Hätte man das Ergebnis nicht gewusst, man hätte aus diesen Worten des Bayern-Trainers einen Sieg ableiten können – und nicht Flicks erste Niederlage in einem Champions-League-Spiel.
Der FC Bayern lieferte im Viertelfinal-Hinspiel gegen Paris Saint-Germain tatsächlich die vielleicht beste Partie in dieser Champions-League-Saison. Er wirkte teils fast erdrückend überlegen, 31:6 Torschüsse lautete die Bilanz. Es nützte wenig. 2:3 unterlagen die Münchner, es war nach mehr als zwei Jahren und 19 ungeschlagenen Partien (18 Siege) die erste Niederlage in der Königsklasse. Die Bayern fahren als Außenseiter ins Rückspiel am kommenden Dienstag nach Paris. Dem Titelverteidiger droht das Aus im Viertelfinale.
»Niemand hätte sich bei diesen vielen Chancen beschweren dürfen, wenn wir heute 6:3 gewonnen hätten«, sagte Thomas Müller: »Dieses Ei haben wir uns heute selbst ins Nest gelegt.«
Was waren die Bayern am Samstag nach dem 1:0 in Leipzig für ihre Effizienz gelobt worden. Weil sie aus ganz wenig ganz viel herausholten. Weil sie halt so sind, die Bayern. Dumm nur, dass am Mittwochabend die Gäste aus Paris so spielten wie die Bayern in Leipzig, zumindest was das mit der Effizienz betrifft. Weil die Bayern in dieser Saison auch so sind: verletzlich und verwundbar.
Ziehen sich die Defizite in der Defensive als Leitthema schon durch die gesamte Spielzeit, so waren sie bislang halbwegs zu verschmerzen gewesen. Irgendwie richteten es die Bayern meistens schon wieder, die meisten Rückstände holten sie auf, und wenn sie mal nicht gewannen, patzte oft auch die Konkurrenz.
»Uns fehlte der Killerinstinkt«
Die drei Gegentore am Mittwoch aber, das tat richtig weh. Gegen das Pariser Tempo fanden die Münchner nicht immer die richtigen Mittel, dazu kam ein Fehler des meist unfehlbaren Manuel Neuer beim frühen 0:1. Die Bayern verloren auch, weil PSG mit Neymar und Kylian Mbappé zwei Ausnahmestürmer in seinen Reihen hatte – und ihnen selbst in Abwesenheit des verletzten Robert Lewandowski genau das abging. Als Müller später die mangelnde Chancenverwertung beklagte, sagte er: »Uns fehlte heute der Killerinstinkt.« Den hatten die Gäste aus Paris.
Ganze zwei von fünf möglichen Spielern wechselte Flick ein, Alphonso Davies und Jérôme Boateng bereits in der ersten Halbzeit für Leon Goretzka und Niklas Süle, die beide angeschlagen vom Feld mussten. In der zweiten Halbzeit kam niemand mehr. Und das, obwohl das Team nach dem dritten Pariser Tor einen Impuls von außen nötig zu haben schien. In der Viertelstunde danach kam es bloß noch zu einem Torschuss.

Überwunden: Bayern-Torwart Manuel Neuer im Duell mit Torschütze Marquinhos
Foto:KAI PFAFFENBACH / REUTERS
Eigentlich hatte Flick in der Vergangenheit immer wieder ein gutes Händchen mit seinen Jokern. Allerdings hatte er diesmal offenbar keinen mehr, dem er vertraute. Nach den Ausfällen von Serge Gnabry (Covid), Douglas Costa (Haarriss im Fuß), Corentin Tolisso (Sehnenriss) und Lewandowski war die Ersatzbank mit Javi Martínez, Bouna Sarr, Tanguy Nianzou und Jamal Musiala besetzt. Im Vergleich dazu drängten sich auf der Seite von PSG im unteren Tribünenbereich gleich zwölf Reservisten, wobei auch die Pariser auf mehrere Schlüsselspieler verzichten mussten.
In Spielen wie diesen rächt es sich, wenn nicht jede Position gleichwertig besetzt ist, wenn es an der qualitativen Breite des Kaders doch mächtig hapert. Und natürlich rächt es sich, wenn gerade jetzt Lewandowski ausfällt. So deutlich wie selten zeigte sich, wie sehr der FC Bayern bei aller Klasse seiner Spieler von diesem einen Weltfußballer abhängt.
Auch für das Rückspiel wird Lewandowski definitiv ausfallen. Das käme »zu früh«, sagte der Stürmer am Abend selbst, die Bayern müssen es im Rückspiel also ohne ihren besten Stürmer richten.
Rund um die Duelle mit PSG machte sich der Klub zudem das Leben selbst schwer. Vor dem Hinspiel sickerte durch, dass der Vertrag des von Flick so geschätzten Jérôme Boateng nicht verlängert wird. Vor dem Anpfiff bestätigte Sportvorstand Hasan Salihamidžić offiziell, dass der 32 Jahre alte Innenverteidiger gehen muss.
»Ich muss da ein bisschen schauspielern, das gehört zum Trainerjob«
Dass das Verhältnis zwischen Flick und Salihamidžić gestört ist, ist kein Geheimnis. Seit Monaten halten sich Auseinandersetzungen gerade in Sachen Kaderplanung und Personalpolitik. Mochten sie sich vor drei Wochen laut Flick auch ausgesprochen haben: Wie zerrüttet die Beziehung wirklich ist, zeigte sich rund um das 2:3 deutlich.
Auf die Frage, ob die Verkündung des Boateng-Abgangs kurz vor so einem Spiel nicht für Unruhe sorge, erwiderte Flick auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gereizt: »Alles muss ich nicht beantworten, weil ich es auch nicht möchte. Ich muss da auch ein bisschen schauspielern, das gehört auch zum Trainerjob.«
Schauspielern? Es klang danach, als hätte Flick schon etwas zu Salihamidžić zu sagen gehabt, wollte es sich aber verkneifen – und biss sich daher auf die Zunge. Ob Trainer und Sportvorstand unter diesen Voraussetzungen wirklich weiter über das Saisonende zusammenarbeiten können, erscheint immer fraglicher. Die Bayern haben noch Chancen auf das Erreichen des Halbfinales, Flick zeigte sich durchaus optimistisch.
Vielleicht ist das Spiel im Pariser Prinzenpark am nächsten Dienstag aber auch Flicks allerletztes Champions-League-Spiel als Trainer des FC Bayern.
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