
Joachim Löw wirkt nicht glücklich
Foto: Thilo Schmuelgen / dpaUm mal mit dem Guten anzufangen: Eine Favoritenrolle für die Europameisterschaft, die einige dem DFB-Team nach Joachim Löws Rücktrittsankündigung schon zuschustern wollten, ist die Mannschaft nach diesem Spiel endgültig los. Nach einem 1:2 gegen Nordmazedonien in der WM-Qualifikation für 2022 muss der Erwartungsdruck der Öffentlichkeit ganz automatisch sinken. Und der Mannschaft müsste jetzt auch der Ernst der Lage klar sein.
Ansonsten aber werden die Debatten rund um die Mannschaft, die in der Vorwoche und nach den zwei Quali-Erfolgen gegen Island und Rumänien ein wenig einzuschlafen schienen, nun wieder entbrennen. Was ist mit der Rückkehr von Mats Hummels und Thomas Müller? Kann Löw dieser Mannschaft tatsächlich noch die nötigen Impulse geben, bevor er sich im Sommer verabschiedet? Sind alle Beteiligten dazu überhaupt noch in der Lage, selbst wenn sie besten Willens sind?
Die Mannschaft hat bis zur EM-Kaderbekanntgabe kein Spiel mehr, das nächste Treffen wird schon direkt vor der Endrunde im Vorbereitungsquartier in Seefeld stattfinden. Bis dahin herrscht Unruhe. Abgesehen davon, dass der Bundestrainer seinem Nachfolger mit diesem Ergebnis einen Rucksack mitgegeben hat: Wer immer Löw folgt, er steht von Anfang an unter Druck, die WM-Qualifikation in dieser Gruppe, die vielen als Formsache galt, hinbekommen zu müssen.
Keine Rotation – das hat sich nicht ausgezahlt
Joachim Löw weiß das natürlich, nach so vielen Jahren im Job sind ihm die Mechanismen vertraut. Er gab sich »irrsinnig enttäuscht« von dem, was da in den 90 Minuten plus acht Minuten Nachspielzeit von Duisburg passiert war: Löw muss dieses Spiel als einen empfindlichen Rückschlag auf seiner Abschiedsmission wahrnehmen.
Er hatte bewusst auf eine Rotation verzichtet, fünf Bayern-Spieler aufgestellt, obwohl die Münchner in drei Tagen das Bundesliga-Topspiel bei RB Leipzig bestreiten und gern beim DFB in solchen Fällen eine gewisse Schonung einfordern. Löw aber will keine Rücksicht mehr auf die Vereine nehmen, das hatte er angekündigt, er probte den Ernstfall, und die Probe ist schiefgegangen. Das war am Mittwoch bis auf wenige Ausnahmen Löws beste Elf.

Gosens, Goretzka, Gnabry: Da stand keine B-Elf auf dem Feld
Foto: THILO SCHMUELGEN / POOL / EPADie Müdigkeit spielte eine Rolle. Dem hochkarätig besetzten Mittelfeld fiel fast nichts ein, die Abwehr der massiv stehenden Nordmazedonier zu überspielen. Vor der Partie hatte es in der Öffentlichkeit schon eine langsam anlaufende Debatte gegeben, ob angesichts von Kimmich, Goretzka, Gündogan, Havertz überhaupt noch ein Platz für den derzeit verletzten Weltmeister Toni Kroos in dieser Startelf sei. Kroos, der neben Torwart Manuel Neuer als einziger Leistungsträger am Mittwoch nicht dabei war, und sich anschließend als ein kleiner Sieger des Abends fühlen durfte.
»Das haben wir uns heute selbst eingebrockt«, sagte Löw nach der Partie, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich hat diese Mannschaft bei aller unbestrittenen Qualität ihrer Einzelspieler strukturelle Defizite, die über Jahre bekannt waren und sind und die sich einfach nicht lösen lassen – weil sich niemand findet, der diese Lösungen anbieten kann: kein Spieler, und der Trainer auch nicht.
Was ist mit den Außen?
Es ist immer und immer wieder vor allem die ungelöste Frage, wer die linke und rechte Defensivseite besetzen soll. Emre Can und Matthias Ginter sind bestenfalls solide Lösungen, beiden traut man aber nach wie vor nicht zu, zu entscheidenden Erfolgsfaktoren zu werden, wenn es darum geht, bei der EM gegen die Favoriten zu bestehen. Antonio Rüdiger in der Innenverteidigung hat sich von Jahr zu Jahr verbessert, gegen die Nordmazedonier ließ er sich dennoch zweifach düpieren, und bei der EM warten noch andere Kaliber als der 37-jährige Goran Pandev.
Löw hat gerade auf den Außenpositionen viele Modelle und Spieler ausprobiert, aber niemand hat sich auf Dauer aufgedrängt. Robin Gosens, den Löw am Mittwoch auf links vor Can stellte und den der Bundestrainer am Tag zuvor noch in höchsten Tönen gelobt hatte, wirkte sowohl offensiv als auch in der Rückwärtsbewegung gegen die Nordmazedonier hilflos, er konnte froh sein, dass ihn die frühe Auswechslung in der 56. Minute vor einem Feldverweis bewahrte. So wie die ganze Mannschaft froh sein konnte, dass der Schiedsrichter beim Stand von 1:1 einen klaren von Can verursachten Handelfmeter nicht pfiff.
Die Chancenverwertung ist ebenfalls ein Dauerthema, man möchte sagen, seit dem Rücktritt von Miroslav Klose, und der ist sieben Jahre her. Schon gegen Rumänien hatten sich die Offensivspieler am Auslassen von Torgelegenheiten überboten. Timo Werner setzte dem gegen Nordmazedonien mit seiner grotesken Aktion frei vorm gegnerischen Tor die Krone auf.
Die Frage, wie das bei der EM gegen Weltmeister Frankreich und Europameister Portugal, die beiden starken Gruppengegner, gut gehen soll, wenn es schon gegen Nordmazedonien nicht funktioniert, steht jetzt grell und fett im Raum. Aber diese Frage kann man sogar beantworten, um nicht nur mit dem Guten anzufangen, sondern auch damit aufzuhören: Gerade gegen die Franzosen wird die Löw-Elf beileibe nicht in die Versuchung geraten, eine massiv stehende Abwehr knacken zu müssen. Dann ist vielmehr Konterspiel angesagt, und das sollte Serge Gnabry, Leroy Sané und Timo Werner eher entgegenkommen. Es ist das Prinzip Hoffnung.
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