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DFB: Revolte und Nazi-Vergleich – Darum geht's im Zoff um Fritz Keller - t-online.de

Eigentlich wollte sich der DFB auf der Zielgeraden bei der EM-Vorbereitung befinden. Doch rund einen Monat vor Turnierstart rückt das Sportliche in den Hintergrund. Denn in der Chefetage knallt es.

Als Fritz Keller im September 2019 zum DFB kam, sollte er den ramponierten Ruf des Verbandes retten. Steuerrazzien, Rassismus-Debatten und umstrittene Milliardendeals hatten für ein schlechtes Image in der Öffentlichkeit gesorgt. Mit seiner Art sollte er Fans und Verband näher aneinander führen und auch den verstoßenen Amateursport befrieden. Keller galt als Hoffnungsträger des DFB.

Anderthalb Jahre später ist die Lage eine völlig andere. Statt vor einer glorreichen Zukunft mit poliertem Image steht der Verband vor einem Scheiterhaufen. Nazivergleiche, Wikipedia-Einträge, Ärger mit der DFL und eine Revolte der Regionalverbände sind plötzlich Thema. Es ist das Ergebnis eines monatelangen Machtkampfs.

Keller gegen Curtius

DFB-Präsident Fritz Keller (l.) und Generalsekretär Friedrich Curtius haben ein angespanntes Verhältnis. (Quelle: imago images/Sven Simon)DFB-Präsident Fritz Keller (l.) und Generalsekretär Friedrich Curtius haben ein angespanntes Verhältnis. (Quelle: Sven Simon/imago images)

Seit Herbst 2020 ist die Stimmung angespannt. Im Zentrum: Präsident Fritz Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius. Letzterer hatte kurz nach Kellers Ankunft ein Jahr zuvor eine Kommunikationsagentur engagiert, die ihn beraten sollte. Der "Spiegel" berichtete von Kosten im fünfstelligen Bereich. Unter anderem ging es dabei um einen Wikipedia-Eintrag, der für Curtius angelegt wurde

Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, soll Keller darauf gepocht haben, Einsicht in die Verträge zu erhalten, scheiterte aber. Die Differenzen zwischen Keller und Curtius wurden größer. Das betraf auch die ersten beiden Vizepräsidenten. Während Rainer Koch eher in Curtius' Lager zu finden war, war Peter Peters auf Seiten Kellers.

Im Januar 2021 entschied sich dann die DFL, den DFB darum zu bitten, Curtius nicht mehr "zu Sitzungen (...) der Ausschüsse, Organe und Kommissionen der DFL zu entsenden". Curtius soll Interna aus diesen Treffen weitergegeben haben. Brisant: Aufsichtsratschef der DFL ist Peter Peters, bekanntlich in Kellers Lager.

Peter Peters sitzt im DFB-Präsidium und im DFL-Aufsichtsrat. (Quelle: imago images/Revierfoto)Peter Peters sitzt im DFB-Präsidium und im DFL-Aufsichtsrat. (Quelle: Revierfoto/imago images)

Kurze Zeit später gaben die beiden Streithähne einen Burgfrieden bekannt: "Nach intensiver und konstruktiver Aussprache im DFB-Präsidium werden wir im Sinne des Deutschen Fußball-Bundes, seiner Mitgliedsverbände und seiner Mitarbeiter*innen unverzüglich letztmalig einen gemeinsamen Versuch unternehmen, Regeln und Rollen für eine künftige gemeinsame professionelle Zusammenarbeit zu diskutieren und festzulegen."

Anhaltend war dieser Burgfrieden jedoch nicht. Keller schloss indes einen Rücktritt aus. "Ich bin kein Mensch, der aufgibt. Ich kann nur für mich sprechen: Ich trete nicht zurück", sagte er im Februar der "Welt am Sonntag". Und auch Curtius machte keine Anstalten, seinen Posten zu räumen.

Keller gegen Koch

In der Folge profitierten die Protagonisten des Machtkampfs von den Diskussionen um den Rücktritt Joachim Löws und dessen Nachfolge. Während intern der Streit weiterging, wurde in der Öffentlichkeit der Trainerposten beim DFB diskutiert.

Dem DFB kam das entgegen, schließlich sollte Rainer Koch im April ins Uefa-Exekutivkomitee wiedergewählt werden und Peter Peters in den Fifa-Rat einziehen. Und tatsächlich erreichten beide ihr Ziel. Doch kurz danach eskalierte die Lage.

Nach einer Rede von Rainer Koch, langjähriger Richter am Oberlandesgericht München, bei einer Präsidiumssitzung Ende April verglich Präsident Keller seinen Vize mit Roland Freisler – dem berüchtigten NS-Richter, der als Präsident des Volksgerichtshofes von 1942 bis 1945 in Schauprozessen etwa 2.600 Todesurteile aussprach, unter anderem gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" um die Geschwister Scholl.

Keller bat um Entschuldigung für seinen "gänzlich unangebrachten Vergleich", wie er der "Bild" sagte. Der Eklat brachte Keller jedoch in die Bredouille. Einen Tag nachdem die Äußerung Kellers publik wurde, ging Friedrich Curtius zusammen mit Schatzmeister Stephan Osnabrügge an die Öffentlichkeit. Beide verurteilten den Vergleich aufs Schärfste und gaben bekannt, dass der Vorfall inzwischen bei der Ethikkommission liege.

Dass nicht Koch, sondern Curtius den Fall einreichte, war vielsagend. Der Generalsekretär versuchte, im Machtkampf wieder die Oberhand zu gewinnen. Der Nazivergleich Kellers kam ihm da offensichtlich sehr gelegen.

Dessen Entschuldigung nahm Koch nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur entgegen, akzeptierte sie aber nicht.

Für Keller sieht es jetzt düster aus: Nach und nach verliert der DFB-Präsident seinen Rückhalt. Am gestrigen Sonntag forderten die Chefs der Landes- und Regionalverbände Keller nach einem zweitägigen Krisengipfel in Potsdam zum Rücktritt auf. Doch auch Generalsekretär Friedrich Curtius wurde das Vertrauen entzogen. Rainer Koch und Stephan Osnabrügge hingegen bekamen das Vertrauen ausgesprochen.

Eine Entscheidung Kellers steht noch aus, doch der Druck für den DFB-Präsidenten wächst. Sein Rücktritt scheint unumgänglich. Die Frage ist nur, ob Keller allein geht, oder ob ihm auch Curtius folgt.

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