
Alexander Zverev: Der Traum vom ersten Grand-Slam-Titel lebt weiter
Foto:Thibault Camus / dpa
Es war eine einzige Antwort, kurz gehalten und vergleichsweise scharf formuliert, die am Dienstagabend einen Einblick in das Seelenleben von Alexander Zverev gab: »Solche Statistiken interessieren mich nicht, um ehrlich zu sein. Ich weiß, zu was ich fähig bin und das ist das Einzige was zählt.«
Ob es für ihn eine Rolle spiele, dass er nun erneut versuchen werde, bei einem Grand-Slam-Turnier erstmals einen Top-10-Spieler zu besiegen, war Zverev zuvor bei der Pressekonferenz nach seinem nur im ersten Durchgang holprigen 6:4, 6:1, 6:1-Erfolg im Viertelfinale der French Open in Paris gegen den Spanier Alejandro Davidovich Fokina (Weltrangliste 46) gefragt worden.
Dabei wurde klar: Große Worte wollte der 24-Jährige über diese für einen Spieler seiner Klasse so verheerende Statistik nicht verlieren. Neunmal hat es der 1,98 Meter große Aufschlaghüne probiert, neunmal ist er gescheitert. Dass das im krassen Gegensatz zu seiner ordentlichen 31:31-Bilanz außerhalb der vier größten Turniere steht, weiß Zverev selbst – und es ärgert den Ehrgeizling vermutlich am meisten. Am Freitag erhält er gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas im Stade de Roland Garros die nächste Chance, die Zahlen aufzupolieren. Doch die Hürde vor dem Finale beim wichtigsten Sandplatzturnier könnte größer kaum sein.
Sandplatzprofi Tsitsipas
»Er hat eine unglaubliche Sandplatzsaison gespielt«, sagt Zverev selbst über Tsitsipas, die Nummer fünf der Welt. Der ein Jahr Jüngere ist nach dem 13-maligen French-Open-Sieger Rafael Nadal, der wie Novak Djokovic seine Viertelfinalbegegnungen in der anderen Turnierhälfte erst am Mittwoch bestreitet, der momentan beste Spieler auf der roten Asche.

Stefanos Tsitsipas im Duell gegen Daniil Medvedev im Viertelfinale der French Open
Foto:MARTIN BUREAU / AFP
Tsitsipas gewann 2021 in Monte Carlo seinen ersten Masterstitel, kam zudem mit dem Erfolg in Lyon im Gepäck in die französische Hauptstadt, in der er sich bisher schadlos hielt. Selbst die Nummer zwei der Setzliste, Daniil Medvedev, hatte am Dienstag nur sehr bedingt Spaß mit seinem Kontrahenten, spielte bei Matchball gegen sich einen völlig misslungenen Aufschlag von unten. Tsitsipas drehte sich nach dem letzten Passierball um und jubelte ausgiebig in Blickrichtung seiner Box. Dort saßen wie üblich sein Vater Apostolos und der extrovertierte Startrainer Patrick Mouratoglou, der auch Serena Williams betreut. Sie bejubelten das dritte Grand-Slam-Halbfinale in Serie ihres Schützlings.
Außerhalb der sogenannten »Top 4« (Federer, Djokovic, Nadal, Andy Murray) ist das seit 2003 nur noch David Ferrer und Stan Wawrinka gelungen.
Nicht nur aufgrund dieser Konstanz gilt Zverevs Gegner für das Halbfinalduell als Favorit. Sportlich wird Zverev die zu leichte Auslosung und die ein oder andere Schwächeperiode vorgeworfen. In Paris traf der Wahlmonegasse ausschließlich auf Spieler außerhalb der Top 40. Vor seinen beiden anderen Halbfinals in Australien 2020 (Nr 14) und den US Open (Nr 26) habe er auch nicht wirklich überragende Gegner bespielen müssen.
An einem guten Tag kann Zverev jeden Spieler besiegen
Zverev hat dafür eine eigene Lesart entwickelt. »Alle Akteure, die ich besiegen musste, sind nicht grundlos so weit gekommen, oder? Nehmen wir Kei Nishikori als Beispiel. Wäre der die letzten Jahre nicht so lange verletzt gewesen, wäre er ein grundsolider Top-10-Spieler.« Zverev hatte den Japaner in der Runde zuvor klar besiegt. Am Dienstag habe er nicht sein bestes Tennis gespielt, vor allem zu Beginn große Probleme mit einer zu harten Schlägerbesaitung gehabt. »Ich bin froh, dass ich im Halbfinale stehe. Aber ich führe jetzt keine Freudentänze auf. Das Turnier ist noch nicht vorbei.«
Zverev wirkt tatsächlich spielerisch an manchen Tagen nicht so locker, wie einige seiner engsten Kontrahenten. Doch selbst, wenn er schwächer agiert, sind sein Aufschlag, seine Rückhand, seine in Relation zu seiner Körpergröße unglaubliche Beweglichkeit und seine Physis meist besser als die seiner Kontrahenten. Dafür hat er mit seinem vertrauten Team um Vater Alexander Zverev senior, Fitnesstrainer Jez Green, der einst Murray zum schnellsten Spieler der Tour machte, und Physiotherapeut Hugo Gravil jahrelang hart gearbeitet. An einem guten Tag kann er mit diesen Grundlagen im Rücken jeden Spieler besiegen.
Bei den Grand Slams seit Beginn des Jahres 2020 ist er ruhiger und ausgeglichener geworden – auf und außerhalb der Centre Courts. In Paris gab er nun preis, dass er seit knapp zwei Jahren meditiere. »Bevor Tsitsipas und Medvedev nach oben aufstiegen, wurde ich medial zu dem Typen gemacht, der urplötzlich die Tenniswelt übernehmen sollte. Ich habe auch Druck auf mich selbst ausgeübt und war nicht sehr geduldig«, erklärt Zverev. Mittlerweile habe er gelernt, besser mit dieser Situation umzugehen.
Hoffnung auf ein zweites Grand-Slam-Finale
Anerkennung erhält der Davis-Cup-Spieler in diesen Wochen und Monaten dafür aber nur bedingt. In internationalen Pressekonferenzen gab es dieses Jahr auffällig weniger Anfragen für Zverev. Das hängt zu großen Teilen noch immer mit den schweren Vorwürfen zusammen, die eine Ex-Freundin im Herbst 2020 öffentlich machte. Es ging um mutmaßliche Fälle häuslicher Gewalt, die die junge Frau in einem Longread des amerikanischen Magazins »Racquet« veröffentlichte. Zverev wies die Anschuldigungen alsbald als nicht wahr zurück, verlas am Rande der ATP Finals 2020 ein Statement. Seitdem schwelen die Vorwürfe, deren Wahrheitsgehalt wohl nie richtig geklärt werden können. Keine Seite hat einen Rechtsstreit forciert.
Sportlich ist das Duell mit Tsitsipas am Freitag ein richtungsweisendes für die gesamte Karriere von Deutschlands bestem Tennisprofi, der neulich in Madrid sein bislang viertes Mastersturnier gewann und schon 15 ATP-Titel gesammelt hat. Mit einem Sieg würde er in sein zweites Grand-Slam-Finale nach den US Open 2020 einziehen. Ein Erfolg, der in der breiten Öffentlichkeit ankäme. Damals in New York fehlten ihm gegen Dominic Thiem lediglich zwei Punkte zum ersten deutschen Majorerfolg seit Boris Becker 1996.
In Paris könnte im Finale Rafael Nadal warten – auf Sand die schwerste aller Hürden im Welttennis. Das erste Ziel für Zverev aber muss der Top-10-Sieg sein. Dann müsste er in Zukunft eine Frage weniger beantworten.
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