Ungläubig fasste sich Jonathan Hilbert an den Kopf und brach anschließend in Tränen aus. Der 26-Jährige von der LG Ohra Energie hat bei der Abschiedsvorstellung der 50-Kilometer-Geher von der olympischen Bühne für eine Sensation gesorgt und Silber gewonnen.
»Jetzt geht's zur Siegerehrung nach Tokio«, sagte ein Teammitglied der deutschen Delegation vom Straßenrand aus zu Hilbert, der seinen Erfolg kaum fassen konnte. Am Ende fehlten Hilbert nur 36 Sekunden auf Olympiasieger Dawid Tomala aus Polen (3:50:08 Stunden).
Doch der Deutsche war mit Silber glücklich. »Wenn mir das vor dem Rennen einer gesagt hätte, dass ich hier Silber hole, dem hätte ich den Vogel gezeigt«, sagte Hilbert in der ARD. Er wäre schon mit einem Platz unter den besten 15 Gehern glücklich gewesen. Bronze ging an Evan Dunfee aus Kanada (3:50:59).
Im Ziel dankte Hilbert seinen Unterstützern, Ärzten und Physiotherapeuten, die ihn nach schweren Adduktorenproblemen für die Spiele fit gemacht hatten. Den Sieg widmete er auch seiner Freundin. »Wir haben jeden Tag drei, vier Stunden gefacetimet. Sie hat geschaut, dass es mir gut geht«, sagte Hilbert: »Das ist auch für dich, Anna.« Dann verdrückte Hilbert ein paar Tränen.
Hilbert bot in Sapporo, wohin die Marathon- und Geher-Medaillenkämpfe aus klimatischen Gründen verlegt worden waren, eine Meisterleistung. Er hielt sich in der entscheidenden Phase in einer Verfolgergruppe, die den überragenden Tomala verfolgte. Der Pole zog an der Spitze zwischenzeitlich mit einem Vorsprung von mehr als drei Minuten davon. Der Deutsche war aber mitten im Kampf um Silber – zusammen mit dem Spanier Marc Tur, Dunfee, João Vieira aus Portugal und dem Japaner Masatora Kawano.
Zusammenarbeit? »Keine Reaktion«
Aus dem Quintett musste etwa fünf Kilometer vor dem Schluss Dunfee erst mal abreißen lassen, Hilbert hielt sich jedoch weiter. Das neu gebildete Quartett löste sich später auf. Hilbert und der Spanier Tur erhöhten das Tempo. Der Deutsche sprach seinen Begleiter nach eigener Aussage an und fragte, ob sie zusammenarbeiten sollten. »Es kam aber keine Reaktion«, so Hilbert: »Dann habe ich mir gedacht, muss ich das Heft wohl selbst in die Hand nehmen.«
Zwei Kilometer vor dem Ziel trennte sich Hilbert von seinem Kühlschal, dann flog auch seine Kappe davon. Jetzt ließ er auch Tur stehen und ging seiner Silber-Sensation entgegen.
Es war eine Abschiedsvorstellung, denn das Internationale Olympische Komitee hat das 50-Kilometer-Gehen aus dem Programm gestrichen. Bisher ist noch nicht entschieden, ob bei den Sommerspielen 2024 in Paris die verkürzte Version oder ein Team-Mixed-Wettbewerb mit je zwei Frauen und Männern für die 50 Kilometer aufgenommen werden.
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