Ein Häftling sitzt im Hof eines Gefängnisses und spielt mit einem kleinen Gummiball. Er wirft ihn gegen die Mauern und fängt ihn mit sagenhaften Reflexen wieder auf. Irgendwann lässt er ihn so springen, dass er kreuz und quer durch den Hof flippert, von Wand zu Wand, und am Ende einen kleinen Vogel trifft, der sich in den Hof verirrt hat. Das ist böse. Doch es geht noch viel böser. Einige Zeit später sieht man einen Vogel, wie er im Sonnenuntergang auf einem gespaltenen menschlichen Schädel sitzt und genüsslich kleine Stücke aus dem Gehirn pickt.
Der Regisseur James Gunn geht in dem Film »The Suicide Squad« mit seinem Humor bis an die Grenze der Geschmacklosigkeit – und darüber hinaus. Das macht dieses Superheldenspektakel über einen Trupp von Psychopathen und Schwerverbrechern, die vom Geheimdienst rekrutiert werden, um die Welt zu retten – oder zumindest die Vereinigten Staaten –, sehr unterhaltsam. Der Film ist wie seine Helden, die eigentlich nichts zu verlieren haben und sich deshalb alles herausnehmen können. Gunn gibt sich redlich Mühe, sein dreckiges Dutzend so schmutzig wie möglich zu machen.
Der neue Film ist die Fortsetzung von David Ayers Comic-Adaption »Suicide Squad« aus dem Jahr 2016. Ayer hatte große Probleme mit dem Studio Warner Bros. und behauptet, es habe seinen Film verstümmelt. Bis heute kämpft er für die Veröffentlichung seiner Schnittfassung. Gunn dagegen konzentriert sich darauf, die Figuren zu verstümmeln und jede Form von Heldenpathos im Ansatz zu zerstören. Gleich in den ersten Minuten schickt er eine Spezialeinheit von Killern mit großem Halali auf ein Himmelfahrtskommando – und lässt es dann furchtbar scheitern. Zum Vergnügen seiner Zuschauer.
Darstellerin Margot Robbie als Harley Quinn: Blutbad als Jungbrunnen
Foto: Courtesy of Warner Bros. Pictures / Warner Bros.Wie man aus Misfits, die auf den ersten Blick kaum als Helden taugen, eine Gang zusammenschweißt, hatte Gunn schon 2014 in »Guardians of the Galaxy« gezeigt, der wohl lustigsten Marvel-Adaption. Ihm gelang das Kunststück, die Fans glücklich zu machen und gleichzeitig all diejenigen gut zu unterhalten, die Superheldenfilme für Blödsinn halten. 2018 wurden rund zehn Jahre alte Tweets, in denen Gunn unter anderem zweifelhafte Scherze über Pädophilie gemacht hatte, noch einmal öffentlich. Disney schasste ihn, betraute ihn aber schon im Jahr darauf mit dem dritten »Guardians«-Film.
Wer grübelt, verliert den Kopf
Gunn weiß also, wie es sich anfühlt, wenn man rehabilitiert wird, weil man eine wichtige Mission erledigen soll. Jetzt hat er aber erst mal für einen anderen Auftraggeber gearbeitet, den direkten Konkurrenten von Marvel: DC Entertainment. In dessen Filmen herrschte meist eine größere Ernsthaftigkeit als bei Marvel, vor allem Christopher Nolan machte aus Batman einen stets dunkel umwölkten Helden, der mindestens so sehr mit sich selbst beschäftigt ist wie mit den Bösen dieser Welt. Damit macht Gunn beherzt Schluss. Sein Motto: Sobald du anfängst zu grübeln, hat dir schon jemand anders das Gehirn rausgeblasen.
Er lässt Figuren wie Harley Quinn (Margot Robbie), der 2020 mit »Birds of Prey« bereits ein eigenes Spin-off gewidmet wurde, wieder auftauchen und führt neue wie den Mörder Bloodsport ein, der von dem wie immer großartigen Idris Elba verkörpert wird. Zusammen sollen sie als Suicide Squad in einer Bananenrepublik ein ehemaliges Forschungslabor der Nazis zerstören, in dem ein furchterregendes Monster herangezüchtet wird. Gunn gibt all seinen Figuren ihre Momente, auch wenn sie im allgemeinen Helden-Overkill nicht selten viel früher aus dem Film scheiden als erwartet.
The Suicide Squad
USA 2021
Buch und Regie: James Gunn
Darstellende: Margot Robbie, Idris Elba, Viola Davis, Michael Rooker, Joel Kinnaman
Länge: 132 Minuten
Start: 5. August
Die Gags des Regisseurs, der auch das Drehbuch schrieb, sind von abgründigem Witz und bisweilen überaus zynisch, aber oft originell. Weil Gunn seiner Fantasie so gar keine Grenzen setzt, weder moralische noch ästhetische, weil er mitten im Gemetzel wie im Zeichentrickfilm bunte Vögelchen durchs Bild fliegen lässt und einem Hai auf Landgang die Stimme von Sylvester Stallone gibt, kann er sein Publikum immer wieder überraschen. Er nimmt die Zuschauer mit in seine grotesk überzeichneten Blutbäder und gibt ihnen dabei seltsamerweise das Gefühl, in einen Jungbrunnen zu steigen.
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