Wer erklärt wem seine Liebe? Der Mensch der Maschine oder die Maschine dem Menschen? Oder ist das gar nicht mehr auseinanderzuhalten? Sind Technik und Körper längst eins? Wie haben technologische Entwicklungen und mobile Devices uns und unseren Alltag geprägt?
Fragen, die die Ausstellung im Münchener Museum Brandhorst "Future Bodies From A Recent Past" verhandelt. 120 Werke – zumeist Skulpturen – von 60 Künstlern untersuchen das vielfältige und in alle Richtungen offene Zusammenspiel von Geschöpf und Gerät, Organismus und Maschine. Den imposanten Auftakt machen Pawel Althamers lebensgroße "Bródno people" von 2010: ein Zug von sieben hybriden, technifizierten Figuren – eine schiebt noch einen Kinderwagen – die aus silberbesprühten Fundstücken und Kleidung zusammengesetzt sind. Dieses kosmonautenartige Kollektiv aus der sehr bodenständigen Warschauer Plattenbausiedlung Bródno hängt irgendwo fest auf halber Strecke zwischen futuristischem Aufbruch und existenzieller Dystopie.
Angst vor Technik und Begeisterung
Eine Ambivalenz, die sich durch die ganze Schau zieht: Neben aller Technikbegeisterung schwingt immer auch die Angst mit, was Technologien mit dem Körper machen, wie sie ihn verändern, ob sie ihn womöglich ganz zum Verschwinden bringen. Atsuko Tanakas "Electric Dress" etwa ist ein Performance-Kleid aus lauter bemalten Glühbirnen und Leuchtröhren, die über ein Exoskelett hängen und sich alle paar Minuten anschalten, um Lichtsignale zu senden. Für die Patrizia Dander, eine der Kuratorinnen der Ausstellung, ist die Arbeit deshalb so interessant, weil sie für die Elektrifizierung des Lebens stehe. Sie in der Elektrifizierung aber auch eine Metapher für die Kräfte gefunden habe, die auf den Körper einwirken. Erstaunlich sei auch zu sehen, wie Tanaka sich bereits 1956 eine Art Skulptur vorgestellt habe, die sich völlig gelöst hatte von den Konventionen und von der Statik: "Was Atsuko Tanaka mit adressiert hat, ist aber nicht nur diese Begeisterung, diese Euphorie über diese Veränderungen. Dieses Kleid zu tragen war für die Künstlerin eine extrem beengende Erfahrung. Es wird heiß da drinnen, sie hatte beim Einschalten die Sorge, dass sie einen elektrischen Schlag kriegt und dann daran zugrunde geht."
Während Atsuko Tanaka alle Technik dem Körper wie ein Kleid überstülpt, sieht die amerikanische Künstlerin Lynn Hershman Leeson den Körper selbst als technische Apparatur. 1966 zeichnete sie eine "X-Ray Woman", eine zarte Figur mit Zahnrädern anstelle von Hüften. In ihrem Bauch tummeln sich drei Säuglinge, während kleine Figuren alle Körpermechanik am Laufen halten. "X-Ray ist ja übersetzt Röntgenstrahlung, das heißt wir können auch in ihr Körperinneres hineinblicken, wo dann Körper und Technologie ganz stark ineinander fließen.", erklärt Kuratorin Dander.
Technikspektakel und Selbstbespiegelung
Franziska Linhardt hat zusammen mit Patrizia Dander die geistreiche, überraschende, emotional aufrüttelnde und reiche Schau konzipiert: Sie bietet eine Fülle ernster und heiterer Positionen der Selbstvergewisserung und digitaler Entgrenzung, meint Dander: "Wie sich in diese technologischen Fragen so ideologische Vorstellungen von Körpern, von Normativität, von Kontrolle und Überwachung einspeisen, das sind so die Interessen, die wir in der Ausstellung verfolgen."
Der Bogen reicht vom Technikspektakel der Nachkriegszeit über die anthropomorphen Roboter von Nam June Paik oder die seltsamen, an Zahnprothesen erinnernden, raumgreifenden Objekte von Nairy Baghramian, die den Optimierungszwang des Körpers aufrufen. Bis hin zu Seth Price's hochauflösende Digitalaufnahmen von vergrößerten Hautoberflächen, die vom Übergriff der durch Algorithmen generierten Daten auf unseren Körper erzählen können. Eine frische und herausfordernde künstlerische Recherche und Selbstbespiegelung ist diese Schau, mutig und im Ergebnis offen.
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