Frankfurt Der OP-Roboterhersteller Intuitive Surgical hat nach einer Eintrübung zu Beginn der Corona-Pandemie seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 31 Prozent auf 5,7 Milliarden Dollar ausgebaut. Damit ist das US-Unternehmen deutlich über Vorkrisenniveau gewachsen.
Viele bestehende Kunden haben in der Pandemie zusätzliche sogenannte Da-Vinci-Operationssysteme des Unternehmens bestellt. Europachef Dirk Barten führt das darauf zurück, dass der Einsatz der roboterassistierten Chirurgie deutliche kürzere Krankenhausaufenthalte ermöglichen kann. Ein Trend, von dem nicht nur Intuitive Surgical profitieren dürfte.
Zwanzig Jahre ist es her, dass in Deutschland erstmals eine Prostata mit Unterstützung eines OP-Roboters chirurgisch entfernt wurde. Heute ist das bereits in vielen Kliniken gängige Praxis. Rund 210 Da-Vinci-Operationsroboter hat Intuitive mittlerweile in deutschen Krankenhäusern installiert, weltweit sind es mehr als 6700 – mit weiter steigender Tendenz.
Laut eines Anfang des Jahres veröffentlichen Fachartikels wurden in Deutschland 2018 knapp 40 Prozent der sogenannten Prostatektomien mit Roboterunterstützung entfernt. Intuitive-Europachef Barten sieht den Anteil inzwischen sogar bei 80 bis 90 Prozent.
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Bei roboterassistierten Operationen ist kein großer chirurgischer Schnitt erforderlich, die Eingriffe werden minimalinvasiv durch kleine Einschnittlöcher vorgenommen, durch die die Kamera und die Operationsinstrumente eingebracht werden. Beim Operationsroboter da Vinci werden die beweglichen Arme mit den Instrumenten und der Kamera von einer Konsole gesteuert, die etwas entfernt vom OP-Tisch steht.
Die Bewegungen, die der Operateur in der dreidimensionalen Welt macht, führen die Roboterarme zitterfrei am Patienten aus. Die hohe Präzision gilt als Vorteil der roboterassistierten Eingriffe. Durch den minimalinvasiven Eingriff werden die Patienten zudem weniger verletzt als bei einer offenen Operation und können schneller regenerieren.
Zwei Jahrzehnte war Intuitive Surgical quasi allein auf diesem Gebiet unterwegs. Doch jetzt drängen mit Macht Wettbewerber auf den Markt. Aus Südkorea kommt der Revo-1-Roboter der Meerecompany. Bei Knieoperationen hat sich bereits das US-Unternehmen Stryker einen Namen gemacht.
Attraktives Feld für Investoren
Ebenfalls aus den USA kommen OP-Roboter von dem Unternehmen Asensus und dem Medizintechnikkonzern Medtronic: Der hat für sein System namens Hugo im vergangenen Oktober die CE-Kennzeichnung für Europa bekommen. Von Großbritannien aus baut das Unternehmen CMR Surgical den Vertrieb seines Versius Roboters auf, und aus Jena in Deutschland will Avateramedical den Markt erobern.
Der gilt als sehr vielversprechend: Bis 2026 soll der weltweite Umsatz mit OP-Robotern jährlich um fast 18 Prozent auf 14,4 Milliarden Dollar wachsen, prognostiziert das Marktforschungsinstitut Markets and Markets. Auch bei Investoren ist das Feld beliebt. Die britische CMR Surgical konnte sich vergangenes Jahr die weltweit bisher größte Medtec-Finanzierungsrunde sichern.
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Umgerechnet rund 600 Millionen Dollar sammelte das Unternehmen in der Serie-D-Runde ein – geleitet von SoftBank Vision Fund 2 und Ally Bridge Group. Mit dem Geld soll die Expansion des Unternehmens finanziert werden. Premiere in Deutschland hatte das Versius System vergangenes Jahr im Klinikum Chemnitz. Auch Avateramedical, das mehrheitlich im Besitz der Tennor Holding von Unternehmer Lars Windhorst ist, ist im Klinikbetrieb gestartet.
Neben dem Universitätsklinikum Leipzig, wo bereits erfolgreiche Operationen an Prostata- und Nierentumoren stattfanden, wird das Avatera-System am Universitätsklinikum Patras in Griechenland genutzt. Demnächst soll das System auch an weiteren deutschen Standorten sowie in Ungarn, Frankreich, Spanien und Dänemark installiert werden, um minimalinvasive Eingriffe in der Urologie und Gynäkologie durchzuführen.
So will das Unternehmen Informationen sammeln, um seine Technologie weiterzuentwickeln. Avateramedical plant laut CEO Greg Roche, bis 2024 mit einer erweiterten nächsten Robotergeneration in mehrere globale Märkte einzutreten.
Den Aufmarsch neuer Konkurrenten sieht Intuitive-Europachef Barten weniger als Bedrohung denn als Bestätigung: „Als wir alleine am Markt waren, mussten wir uns gegenüber etablierten Verfahren verteidigen. Durch den Eintritt neuer Anbieter ist diese Diskussion beendet. Robotik im OP ist die Zukunft“, sagt Barten. Er rechnet damit, dass viele neue Anbieter kommen werden und der Markt eine große Dynamik entfaltet. „Wir setzen auf den Innovations- und Vertrauensvorsprung, den wir haben“, sagt der 55-Jährige.
Hohe Investition, aber großer Nutzen
Die neuen Anbieter im Markt werden allerdings auch bei den Kunden von Intuitive wahrgenommen. „Wir haben uns Systeme der Wettbewerber angeschaut. Die sind vielversprechend und dürften durchaus in Konkurrenz zum etablierten Anbieter treten können“, sagt Christoph Herborn, Vorstand und Chief Medical Officer beim privaten Krankenhausbetreiber Asklepios.
Aber die neuen Verfahren müssten im Markt eben auch erst beweisen, dass sie keine schlechteren Ergebnisse liefern. Nicht nur bezogen auf den Patienten, sondern auch mit Blick auf OP-Zeiten, Materialverbrauch und andere Parameter, so Herborn. Asklepios hat deutschlandweit mehr als ein Dutzend Da-Vinci-Roboter im Einsatz. „Die jungen Assistenzärzte erwarten, dass sie mit dieser Technologie ausgebildet werden. Und es gibt auch immer mehr Patienten, die roboterunterstützt operiert werden wollen.“
Mit Investitionen zwischen ein und zwei Millionen Euro je nach Ausstattung ist die Anschaffung eine hohe Investition. Hinzu kommen Kosten für Instrumente wie Skalpelle, Scheren, Pinzetten, die nach einer gewissen Zahl von Einsätzen ausgetauscht werden müssen. Barten betont, dass man mit dem Robotersystem in Deutschland im lokalen Vergütungssystem der gesetzlichen Krankenkassen den Break-even bei 200 bis 250 Prozeduren im Jahr erreichen könne.
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Das hätten auch Kunden bestätigt. „Viele sehen nur die Kosten des Systems“, sagt Barten. Wenn man aber die klinischen Mehrwerte der Technologie dagegen rechne, dass der Patient möglicherweise weniger Komplikationen habe, weniger Schmerzmittel brauche und früher entlassen werden könne, „dann ist die Bilanz eindeutig positiv“.
Künftig will der Manager mit Intuitive in Europa auch stark in den Bereichen Bauchraumchirurgie und Gynäkologie wachsen, etwa bei der Entfernung von Tumoren. Hier stehe Europa noch am Anfang. „Deswegen wächst diese Region derzeit auch dynamischer als die USA“, sagt Barten. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Systeme in Europa um 13 Prozent auf 1199 gestiegen, gegenüber einem Wachstum von elf Prozent auf 4139 Roboter in den USA.
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