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DMX ist tot - Nachruf auf den Rapper: Harter Hund - Süddeutsche Zeitung - SZ.de

Ende der 90er-Jahre war plötzlich wieder viel Platz auf der Straße. Tupac Shakur: tot. 1996 erschossen nachdem er in Las Vegas einen Boxkampf besucht hatte. Ein halbes Jahr später starb Christopher Wallace, besser bekannt als The Notorious B.I.G. - Drive-By-Shooting. Womöglich Vergeltung, man vermutete Wallace hinter dem Mord an Shakur. Resultat des jahrelangen Beefs zwischen den beiden. Die 90er waren eine Zeit, in der Gangsta-Rap noch nicht aus Bietigheim-Bissingen kam. East-Coast vs. West-Coast, man hat das vor allem hierzulande ein bisschen verdrängt, das war noch sehr echte Gewalt. Mit sehr echten Waffen. Und sehr echten Raps. Und plötzlich war da dieses Vakuum.

Auftritt DMX. Und wie. Man hatte das grollende Bellen (auf einigen seiner Songs ganz buchstäblich) von Earl Simmons, wie er eigentlich hieß, kurz vorher bereits als Gast bei anderen Rappern gehört. Bei Mase, bei The LOX, bei LL Cool J. Davor hatte er auf der Straße Mixtapes verkauft, auf denen er über bekannte Beats rappte. Kurzzeitig hatte Columbia Records ihn unter Vertrag. Ein Flopp. Schnell beendet. Aber jetzt hatte er vom Label Def Jam bekommen, was auch die mächtigsten MC brauchen: den passenden, eigenen Beat.

Der Produzent Dame Grease hatte den Soul-Song "Everything Good to You (Ain't Always Good for You)" von B.T. Express nur Zentimeter über Asphalt-Level heruntergepitcht und damit in einen düster verrauchten Mid-Tempo-Groove eingebremst. Es gab damals nicht viele Rapper, die daraus das bedrohliche Monster hätten formen können, zu dem "Get at Me Dog" wurde. DMX konnte. Einstiegszeilen: "What must I go through to show you shit is real? / And I ain't never give a fuck how n***** feel / Rob and I steal, not 'cause I want to, 'cause I have to / And don't make me show you what the Mac do". Was er denn noch alles durchmachen müsse, um zu beweisen, dass echt sei, was er sage? Dass er sich nicht drum schere, wie die Leute sich fühlen. Dass er raube und stehle - nicht weil er das so gern täte, sondern weil er müsse. Die Lebensgeschichte von Earl Simmons.

Zumindest der eine Teil. Simmons war am 18. Dezember 1970 in Mount Vernon, New York geboren worden. Kaputte Verhältnisse. Die Eltern zu jung und zu überfordert für eine Familie. Simmons, der zu Lebzeiten unter schweren Asthmaanfällen litt, floh vor den Misshandlungen zu Hause, flog von der Schule, landete wegen seiner chronischen Krankheit in einem Heim. Traf gleichgesinnte Rap-Enthusiasten, entdeckte die Oberheim DMX-Drum-Machine. Fand seinen Namen (den er später auch als Dark Man X paraphrasierte). Und landete im Gefängnis. Immer wieder.

Mit 14 fing er mit Crack an - angeblich aus Versehen

Das erste Mal, weil er einen Hund gestohlen haben soll. Beim zweiten Mal war es ein Auto. Dann wurde es schlimm. Gewaltverbrechen, Waffenbesitz, Drogenbesitz. Wieder und immer wieder. Der Abschnitt "Legal issues" in seinem Wikipedia-Eintrag ist so lang und dokumentiert den ganzen Mist so detailliert wie sonst bei sehr sehr umtriebigen Schauspielern die Filmographie. Nach eigenem Bekunden hatte er im Alter von 14 Jahre mit Crack angefangen - angeblich aus Versehen. Ein Joint soll mit dem Gift versetzt gewesen sein.

Das wäre die eine Seite, die aus seinem Debüt-Album "It's Dark and Hell Is Hot" (1998) herausbrüllte. Ein Gewaltverbrecher, der sich in seinen Videos als verschatteter, gnadenloser Bösewicht inszenierte. Das Album ging direkt auf Platz eins der Charts. Genau wie "Flesh of My Flesh, Blood of My Blood", das Album, das er wenige Monate später veröffentlichte. Genau wie "... And Then There Was X" (1999), das die Single "Party Up (Up in Here)" enthielt, sein erster Top-Ten-Hit in den R&B-Charts. Genau wie "The Great Depression" (2001), genau wie "Grand Champ" (2003).

Fünf Jahre nach dem Debüt hatten fünf DMX-Alben in Folge Platz eins erreicht. Genauer gesagt: Bis zum Jahr 2003 hatte er kein Album veröffentlicht, das nicht die Charts anführte. Das war schon im Pop bis dato unerreicht. Im Hip-Hop, der damals noch mehr als heute das Narrativ lebte, dass der Erfolgreichste auch der Beste gewesen sein muss, ist es der Ausweis absoluter Dominanz.

Seine sanftere Seite machte ihn zum Superstar

Um also kurz noch im Klischee zu bleiben: Mit dem harten Zeug bekam er die Straße. Und die Kids. Seine sanftere Seite, die es ohne Zweifel auch gab, machte ihn zum Superstar. Zu dem DMX, der auf dem extrem smoothen "How's It Goin' Down" seine Beziehungsdämonen verhandelt (inklusive der Sexismen seiner Zeit). Der Diakon war und Pastor werden wollte. Der 15 Kinder hatte, einige davon außerehelich, und dreimal pleite war. Die Unterhaltszahlungen. Sagte er.

Parallel zu alledem kämpfte DMX immer wieder mit seiner Drogensucht. Vor allem Crack und Kokain ließen ihn trotz mehrerer Entziehungskuren nie ganz los. Im Februar 2016 wurde er bewusstlos auf einem Hotelparkplatz gefunden. Ein Asthmaanfall, wie er damals erklärte. Im selben Jahr kam der Film "Deadpool" in die Kinos, getragen unter anderem von "X Gon' Give It To Ya", einem Song, den DMX 2003 für den Soundtrack von "Cradle 2 the Grave" beigesteuert hatte. Rumpel-Beat, sehr dicke Synthie-Bläser. Noch mal die ganz große Straßenshow. Noch mal Knarren, Gewalt und "Wolf im Schafspelz"-Metaphern.

Aber auch diese doppeldeutige Zeile: "I've been doing this for 19 years / N***** wanna fight me? Fight these tears!" Am 2. April wurde Earl Simmons nach einem Herzinfarkt in ein Krankenhaus in White Plains, New York eingeliefert. Am Freitag wurde er für tot erklärt. Er wurde 50 Jahre alt.

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